Redebeitrag beim Auricher Klimastreik am 23.9.2022

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Klimastreik!

Wir sind hier, und wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“

So habt ihr voller Unmut gerufen, und das zu Recht.

In seinem richtungsweisenden Grundsatzurteil vom April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht eure Auffassung bestätigt und die Regierung aufgefordert, endlich konkrete Klimaziele zu formulieren und Maßnahmen zu ihrer Einhaltung zu ergreifen.

Aber das geht alles viel zu langsam, weshalb ihr hier und in vielen anderen Städten wieder demonstriert für einen effektiven Klimaschutz. Denn das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist ernsthaft gefährdet.

Manche sagen, alles kein Problem, mit einem grünen, ökologischen Wachstum ist das leicht zu schaffen. Aber das ist Traumtänzerei. So viele Tausend Windräder und Hunderttausende Solaranlagen, effiziente Stromtrassen und Stromspeicher sind gar nicht auf die Schnelle zu errichten. Allenfalls später, wenn die Gesellschaft endlich klimaneutral lebt, ist durch einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ein bescheidenes grünes Wachstum möglich.

Aber jetzt, wo höchste Eile geboten ist, muß die Regierung klimaschädliche Wirtschaftszweige rasch zum Schrumpfen bringen. Der durchschnittliche jährliche CO2-Ausstoß der Deutschen von 12,2 Tonnen muß radikal verringert werden. Diesen Schritt muß die Regierung sozialverträglich gestalten. Wer da den Gürtel enger schnallen muß, und zwar sehr viel enger, ergibt sich aus den Statistiken.

Die ärmere Hälfte der Bevölkerung produziert nur 5,9 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Für diesen Teil der Bevölkerung ist mit Nutzung von Öko-Strom und Verzicht auf fossile Brennstoffe sowie einem zügigen Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems relativ rasch Klimaneutralität zu erreichen.

Das reichste Hundertstel der Bevölkerung kommt jedoch auf einen sagenhaften jährlichen CO2 -Ausstoß von 117,8 Tonnen pro Nase. Somit müssen die Reichen mit ihrem Luxusleben den Hauptteil der Einschränkungen tragen.

Einen PS-starken Sportwagen zu fahren und auf Sylt eine große Hochzeit zu feiern, nein, das geht auch viel bescheidener! Mit dem eigenen Flugzeug zu dieser Hochzeit des Freundes zu fliegen, nein, das darf nicht mehr sein!

Aber man hört diese Politiker und ihresgleichen schon klagen: Die Freiheit des einzelnen ist in Gefahr, der freie Markt wird bedroht! Aber für welche Freiheit streiten diese Freiheitskämpfer denn? Mit Freiheit meinen sie, ihr Luxusleben mit seinem riesigen CO2-Ausstoß weiter wie bisher führen zu können, auf Kosten unseres Planeten, der in immer mehr Regionen kaum noch bewohnbar ist. Diese Freiheitsapostel an den Schaltstellen von Politik und Wirtschaft nehmen die zunehmende Verelendung vieler Menschengruppen bewußt in Kauf.

Auf eine solche Freiheit zu pochen ist ein Verbrechen an der gesamten Menschheit. Die hat nämlich ein Recht auf Leben, Gesundheit, eine ausreichende Ernährung, sauberes Wasser und saubere Luft, sowie die Stillung ihrer elementaren Bedürfnisse.

Da warnen die Reichen vor einer erzwungenen Gleichmacherei aus genau dem selben Motiv. Die Gleichmacherei, der Verlust von Freiheit und Individualität – das sind die Schreckgespenster, die sie uns ausmalen.

Halten wir ihnen hier die allgemeine Erklärung der Menschenrechte entgegen, die mit den folgenden Worten beginnt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Das ist eine anderer Schnack als die vermeintliche Freiheit, sich auf Kosten vieler anderer zu bereichern und im Luxus zu schwelgen. Hier müßte die Regierung einschreiten und an der Schraube drehen, denn nur eine Gesellschaft ohne große Ungleichheit lebt harmonisch und friedvoll, das zeigt ein Blick in die Geschichte der Völker.

Die Reichen müßten also den entscheidenden Beitrag zum Schutz des Klimas leisten, aber da kneifen die Politiker in Berlin. Deshalb laßt uns ihnen noch einmal zurufen:

Wir sind hier, und wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“

Danke!

23. September 2022